Soap, das hat oft den faden Beigeschmack der anspruchslosen Unterhaltung. Ein typisch deutsches Phänomen, ist hierzulande doch alles suspekt, was nicht mit dem vermeintlichen Hauch von Intellektualität daherkommt. In Brasilien bilden die dort „Telenovelas“ genannten Formate die Krönung des gesamten Programmangebotes. Eine Rolle darin zu ergattern, gilt als Lebenstraum und verschafft höchstes Ansehen.
Soaps sind beliebt, das belegen die Einschaltquoten. Und mittlerweile bilden sie bei vielen Sendern den Schwerpunkt des Programms. Doch neu ist diese Beliebtheit keinesfalls. Genau genommen, war schon das „Haus am Eaton Place“ eine frühe Soap. Zu Zeiten von „Dallas“ und „Denver“ ließ sich die magische Wirkung besonders gut beobachten. Ganze Freundeskreise versammelten sich vor dem Bildschirm, um zuzusehen, wie der fiese J. R. Ewing seiner Sue Ellen mal wieder eins auswischte. Oder um darüber zu staunen, wie Blake Carrington es schaffte, nach einer langen Nacht mit tadellos gekämmter Frisur und adrettem Scheitel aufzuwachen.
Noch spannender als die texanischen Ölbarone können jedoch Schicksale von Nebenan sein. Das erklärt den Erfolg wenig spektakulär anmutender Formate wie der „Lindenstraße“. Da agieren Menschen, wie wir sie kennen, in Umfeldern, die uns vertraut sind und geraten in Probleme, die wir auch haben.
Wolfgang Rademann ist in Deutschland ungekrönter Meister der Soap. Ob „Schwarzwaldklinik“, „Erbe der Guldenburgs“ oder „Traumschiff“. Der Mann hat als Produzent stets ein untrügliches Händchen für den Zeitgeist bewiesen. Von ihm geht die Anekdote, er habe einmal ein Flugzeug mit einer Plastiktüte voller Yellow-Press Zeitschriften betreten. Ein Sitznachbar sprach ihn an und machte ihn darauf aufmerksam, dass es an Bord „bessere“ Zeitungen und Zeitschriften gäbe, er brauche sich doch nicht diesen „Schund“ extra mitzubringen. Rademann soll darauf sinngemäß erwidert haben: „Aber die Menschen, für die ich Unterhaltung mache, die lesen diese Blätter. Und deshalb muss ich sie auch lesen, um mein Gespür für deren Träume zu behalten.“ Das zeigt: Auch unter Soap-Produzenten gibt es so etwas wie Berufs-Ethos.
Soaps bilden Meinungen und Einstellungen und wecken den Nachahmungstrieb. Klamotten, die die Darstellerinnen in „Sex and the City“ getragen haben, sind kurz danach ausverkauft. Erinnern wir uns an die Schwarzwaldklinik. Da fuhr Professor Brinkmann nach getaner Arbeit nach Hause und wenn ein Patient in Gefahr war, so rauschte er selbstverständlich wieder in die Klinik. Und immer sahen wir ihn auf wunderschönen Landstraßen, im wunderschönen Schwarzwald, in seinem wunderschönen Auto…. Und was fuhr der Mann? Eben keinen Benz und auch keinen BMW, sondern einen Audi 200 (das war das damalige Premium-Modell, so wie heute der A8). Das hat dem Image der Marke Audi damals mehr geholfen als alle technischen Innovationen zusammen. Denn unterbewußt lernten wir: Ein Chefarzt kann ruhig auch einmal einen Audi fahren.
Generationen haben sich von Soaps beeinflussen lassen. So begann mit der Serie „Traumschiff“ ein wahres Kreuzfahrtfieber. Ein Schwarzwald-Urlaub ohne einen Blick auf die legendäre Klinik galt lange Zeit als undenkbar. Doch dafür, dass sich die vermutete Wirkung einstellt, gibt es keine Garantie. Das zeigt ein aktuelles Beispiel: Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler kämpft mit dem Problem, dass die Ärzteversorgung auf dem Land gefährdet ist. Wie kann das sein? Wo doch gerade diese Art, sich als Allgemeinmediziner niederzulassen, durch die Reihe „Der Landarzt“ geradezu verherrlicht wird. Man sieht: Manchmal können nicht einmal Soaps helfen.
Letztlich geht es um das wahre Leben, um Menschen, die so sind wie du und ich. Was also liegt näher, als mit der Kamera einfach draufzuhalten, den ganz normalen „Alltagswahnsinn“ einzufangen, ohne Vorbereitung, ohne Drehbuch. So entstand die Idee der Doku-Soap. Ob Paare bei der Hochzeitsvorbereitung, Familien beim Auswandern nach Hinterindien oder Streifenpolizisten im Einsatz. Nichts könnte realer sein, als das Leben selbst. Und wenn dann Opa bei seiner rührenden Festrede für das Brautpaar vor versammelter Mannschaft von der Bühne fällt, weil er vor lauter Aufregung vorher viel zu viel Cognac getrunken hat, dann ist eben genau das das wahre Leben. Ganz wie bei uns – sein wir doch mal ehrlich: Unserem Opa hätte das doch auch passieren können.
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